Was wäre, wenn wir das Altern in Zukunft wie eine Krankheit behandeln könnten und damit den mit Alterung verbundenen Krankheiten insgesamt entgegenwirken würden?
Zu diesem Thema werden derzeit diverse Ansätze diskutiert: Bluttransfusionen an Mäusen, Zombie-Zellen, die tägliche Einnahme von Rapamycin und Metformin zur Verbesserung einer Art gesunden Lifespan und vieles mehr.
Einiges davon klingt wie Science Fiction - und ist es auch. Zukunft, die es gilt zu gestalten. Doch der gemeinsame Nenner ist sehr real: Die Entwicklung eines neuen (Bio-) Wissenschaftsgebietes, das komplett auf den Alterungsprozess fokussiert ist.
Altern bringt Menschen nicht um - es sind Krankheiten, die den Tod bringen.
Stichwort sind die sog. Zivilisationskrankheiten: Kardiovaskuläre Erkrankungen, Schlaganfälle, Krebs oder Alzheimer. Wissenschaftlich betrachtet sehr komplexe und schwierige Szenarien - und extrem leidvoll für den Patienten. Ihr Naturell ist von jeher chronisch - durch diverse Trigger, Prädispositionen und Lifestyle - Gewohnheiten beeinflusst und ausgelöst.
Der direkte Zusammenhang dieser Erkrankungen mit dem eigentlichen Alterungsprozess
Soll heißen: Der Alterungsprozess als solcher ist die Wurzel allen Übels.
Ein Studium dieser Krankheiten ohne Berücksichtigung des Alterungsprozesses führt letztlich ins Leere und allerschlimmstens zum Stillstand des Forschungsfortschritts.
Nehmen wir Alzheimer. Um eine Krankheit wie Alzheimer wirklich behandeln zu können, müssten wir in der Lage sein, die anfänglichen biologischen Angriffspunkte und Mechanismen zur Auslösung der Krankheit zu identifizieren und verstehen. Im Idealfall noch lange bevor die Krankheit wirklich einsetzt.
Allerdings versteht die Wissenschaft noch sehr wenig von den frühzeitigen Mechanismen dieser Krankheit und der komplexen Biologie, die dahinter steht. Alles was bisher sicher ist: Es gibt mehrere Angriffspunkte der Krankheit und alle bisherigen Versuche, diese Attacken auf das gesunde System abzuwehren sind fehlgeschlagen.
Hinzu kommt, dass die Alzheimer Forschung auf sehr wackeligen Modellen fußt (bspw. Mäuse als Versuchstiere, die natürlicherweise kein Alzheimer bekommen, aber als Versuchstiere für Alzheimer Medikamente eingesetzt werden).
Der derzeitige Stillstand in den Forschungserfolgen lässt sich vermutlich auf den bis dato falschen Blickwinkel auf das Geschehen zurückführen:
Bisher wurde angenommen APOE Status (Apolipoprotein) sei der größte Risikofaktor für Alzheimer - der größte Risikofaktor ist aber simpel: Das Altern. Niemand bekommt Alzheimer mit 20. Mit Vollendung des 65. Lebensjahres hingegen verdoppelt sich das Risiko alle fünf Jahre, mit 85 Jahren liegt die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung bei 33,3%.
Es scheint sinnvoll, sich bei der Bekämpfung von Alzheimer (u.a. Alterungs - assoziierten Krankheiten) diesem größten Risikofaktor zu widmen, um konkrete Bekämpfungsmechanismen zu ermitteln. Vielleicht der einzige Weg degenerativen Krankheiten zu begegnen.
Anstatt sich auf die Trigger einer einzigen Krankheit zu konzentrieren, könnten wir vor diesen Krankheiten einen gewissen “Vorsprung” erreichen, indem der Fokus auf der Gesunderhaltung des Organismus und der Verlängerung der individuellen Health- und Lifespan liegt.
Nehmen wir das Beispiel alternder Zellen. Diese Zombie-Zellen, die sich im Laufe des Alterungsprozesses ansammeln, wurden lange Zeit als aktiv toxisch betrachtet. 2016 entdeckten Wissenschaftler wiederum, dass die Lebensspanne mittelalter Mäuse durchaus erweitert werden konnte, indem diese Zellen einfach gelöscht wurden. Auch der Ausbruch alters - assoziierter Krankheiten konnte damit aufgehalten werden.
Heute existiert bereits eine ganz neue Gattung an Biotech-Unternehmen, die aktiv an genau dieser Zellgattung forschen: Verschiedene Moleküle sprechen wiederum verschiedene biologische Leitungen an. Geplant sind klinische Studien und humane Versuchsreihen, die eine relativ hohe Bandbreite von Indikationen aufweist: Alzheimer, COPD, Makula Degeneration, Gebrechlichkeit uvm.. Einziger gemeinsamer Nenner all dieser Indikationen: Das Altern.
Die Beobachtung des Alterungsprozesses als Kompass zur Medizin der Zukunft
Es besteht durchaus Grund zu der Annahme, wir könnten eines Tages den Zelltod stoppen. Oder zumindest verlangsamen und die innere (Molekül-) uhr zurückdrehen. Die Zukunftstherapeutika entspringen also direkt der Alterungsbiologie.
Wie wird eine solche Zukunft aussehen - in der es Medikamente gibt, die so viele unterschiedliche Krankheitsmechanismen behandeln?
Es sind vor allem individuelle Molekülverbindungen und Bio-Organismen, die in greifbarer Nähe zur Umsetzung eines universellen Heilverfahrens liegen.
Das Altern ist ein multifaktoraler Vorgang,der über viele verschiedene Stoffwechselvorgänge und Mechanismen ausgelöst werden kann. Eine Kombi-Strategie zur gleichzeitigen Erreichung vieler Stoffwechselvorgänge erscheint hier als vielversprechendster Ansatz.
Die Behandlung und Heilung einzelner altersbedingter Krankheiten ist meistens nur von geringem Erfolg gekrönt. Wäre Krebs heilbar, würde das auch “nur” karge 4 Jahre mehr an durchschnittlicher Lebensspanne bringen. Weil andere ursächliche Killer - wie bspw. Schlaganfall oder Herzattacke - schon bereits hinter der nächsten Ecke lauern.
Nur indem das Altern als solches ins Visier genommen wird, können wir Life- und Healthspan, Lebensqualität und -gesundheit, beeinflussen.
Das vertiefte Verständnis des Alterungsprozesses eröffnet eine neue medizinische Ära, indem wir zunehmend Angriffsmuster von Krankheiten identifizieren, die wir bis dato nur marginal verstanden haben (oder gar zu heilen vermochten).
Die “Heilung” vom Altern könnte auch die Heilung von Krankheit bedeuten.
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